Geschichte von Honduras
Auf seiner vierten und letzten Reise in die neue
Welt landete Kolumbus am 14. August 1502 in der Bucht von
Trujillo und betrat hier zum ersten mal amerikanisches Festland.
Seinen Namen bekam Honduras ein paar Tage später; als
Kolumbus mit Ach und Krach das Kap der heutigen Grenze zwischen
Honduras und Nicaragua erreichte, soll er gesagt haben: "Gracias
a Dios que hemos salido de estas honduras", was soviel
heißt wie "Gott sei Dank sind wir diesen Tiefen
entkommen". Seitdem heißt das markante Kap nun
Cabo de Gracias a Dios und das schöne, wilde Land Honduras.
Als die Spanier in Honduras landeten war von den Maya nicht
mehr viel zu spüren. Diese hatten in Copan eines der
wichtigsten Zentren prähispanischer Zivilisation etwickelt,
dessen Astronomie, Schriftkunst und Architektur zu den Höhepunkten
der Weltkultur gehörte und dann plötzlich zusammenbrach.
So lebten bei der Ankunft der spanischen Eroberer neben einigen
Mayagruppen zahlreiche indianische Ethnien, wie die Lenca,
Chorti, Pech, Miskito und Sumo, die ein weitgehend selbstbestimmtes
Leben in Einklang mit der Natur führten.
Doch dem setzte die spanische Krone ein jähes Ende. Als
die spanischen Eroberer bei ihrem Vormarsch von 1524 in dieses
ehemals von den Maya besiedelte Gebiet eindrangen, stießen
sie auf zahlreiche untereinander verfeindete Indiostämme
wie die Lenca, Pipil, Chorotega, Jicaques, Paya und andere,
die zunächst erbitterten Widerstand leisteten. 1525 unternahm
Hernando Cortés (1485-1547) einen Kriegszug, 1536 Pedro
de Alvarado (um 1485-1541) einen weiteren, um den vom Häuptling
Lempira geführten Aufstand niederzuschlagen.
1537 führte Lempira,
ein Häuptling der Lenca, 30000 Indianer gegen die
Spanier. Erst 1539 wurde er nach vielen gewonnenen Schlachten
bei einer "Friedensverhandlung" von den Spaniern
heimtückisch ermordet; damit war auch der indianische
Widerstand zusammengebrochen. Heute ist Lempira, dessen
Name "Gentleman der Berge" bedeutet, ein Nationalheld
und die Währung von Honduras trägt seinen
Namen. Immer noch hat Lempira eine identitätsstiftende
Bedeutung für die meisten Honduraner: Ein armer
Bauer aus der Provinz stellt sich einer Weltmacht entgegen
und hält sie - zumindest eine Zeitlang - auf.
Die Spanier gründeten 1540 die Hauptstadt Comayagua
und gliederten die Provinz dem Generalkapitanat von
Guatemala ein. Die heutige Hauptstadt Tegucigalpa wurde
1579 als Siedlung in der Nähe von Gold- und Silberminen
gegründet. Um diese Edelmetalle ging es den Eroberern
in erster Linie. Die durch Kriege, Zwangsarbeit und
eingeschleppte Krankheiten von über 1,2 Millionen
auf im Jahre 1778 ca. 88 000 dezimierten Indios behielten
zwar ihr Gemeindeland zur Selbstversorgung, mussten
aber Arbeitskräfte für Bergwerke und Ländereien
der Kolonisten stellen.
1821 schloss sich die Provinz-Oligarchie der Erhebung
der anderen zentralamerikanischen Provinzen gegen die
spanische Krone an. Nach nur zweijähriger Anbindung
an das Kaiserreich von Mexiko verselbständigten
sie sich im Staatenbund der "Vereinigten Provinzen
von Zentralamerika". Eine seiner Führungsfiguren,
der als "mittelamerikanischer Bolívar"
verehrte Francisco Morazán (1792-1842), stammte
aus Honduras. Morazàn, der zweite große
Held der honduranischen Geschichte, war zwischen 1829
und 1838 Präsident dieses zentralamerikanischen
Staatenbundes. Er schaffte die Sklaverei ab und erarbeitete
die erste Verfassung. Sie entsprach den Maximen der
französischen Revolution und übernahm wesentliche
Stellen der amerikanischen Verfassung von 1776.
Aber auch Morazan konnte das Ausbrechen seiner Heimatprovinz
und den Zusammenbruch des Staatenbundes 1839 nicht verhindern.
Von Beginn der "Freiheit" an kämpften
mehrere Fraktionen der Oligarchie um die Macht. Von
1821 bis 1876 wechselten sich 85 Regierungen ab. Die
klerikal-konservative Führung mischte sich ständig
in diese Machtkämpfe ein. |
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1876 leitete Marco Aurelio Soto eine liberale Wende ein:
Er säkularisierte den Kirchenbesitz, führte die
Zivilehe und ein staatliches Bildungswesen ein. Seine Gegner
- Kirche und Großgrundbesitzer - und Befürworter
- das städtische Bürgertum - organisierten sich
später in der Nationalen Partei und in der Liberalen
Partei, die bis heute die wichtigsten Parteien geblieben
sind. Gleichzeitig trieb Soto die Erschließung und
Weltmarktöffnung des isolierten Landes voran. Großzügige
Konzessionen lockten US-Konzerne an und führten zur
Entwicklung der "Bananenrepublik". Die Geschichte
einer kolonieähnlichen Fremdbestimmung begann. Die
Diktatoren T. Carías Andino und J. M. Gálvez,
die von 1933 bis 1948 bzw. von 1949 bis 1954 an der Macht
waren, betätigten sich als Handlanger der United Fruit
Company. Der Streik von rund 25 000 "Enklave"-Arbeitern
auf den US-amerikanischen Bananenplantagen im Jahre 1954
leitete die Bändigung der Macht ein, die von der "Enklave"
auf den "Rest des Landes" ausgeübt wurde.
Die Reformansätze des Präsidenten Villeda Morales,
der von 1957 bis 1963 regierte, wurden zwar zunächst
durch Militärputsche aufgehalten, aber die Militärregierung
unter Osvaldo López Arellano, der von 1972 bis 1975
an der Macht war, griff sie wieder auf und trieb sie unter
dem Druck von Gewerkschaften und Bauernorganisationen voran.
Sie packte vor allem eine Agrarreform an, die ihren Namen
verdiente, obwohl ihre Durchführung von zwei nachfolgenden
Militärregierungen gebremst wurde. Militärregime
à la Honduras waren nicht ganz so schlimme Folterregime
wie in den Nachbarstaaten. Sie verboten zwar allzu linke
Parteien und Organisationen, beließen aber den beiden
großen Parteien samt ihren Abspaltungen und vor allem
den starken Bauernorganisationen politische Freiräume.
Diese autoritäre Toleranz bildet einen wesentlichen
Grund, warum bislang in Honduras Guerillagruppen über
Ankündigungen des bewaffneten Widerstandes nicht hinauskamen.
Bei den Präsidentschaftswahlen von 1981, die die Rückkehr
zur Demokratie signalisierten, erhielt der Kandidat der
Liberalen Partei, Roberto Suazo Córdova (*1928),
eine eindeutige Mehrheit. Viele Beobachter hegten Zweifel
an seiner politischen Überlebensfähigkeit in einem
Land, in dem es in 150 Jahren immerhin 125 Militärputsche
gab. Er überstand eine schwere Wirtschaftskrise und
viele Putschgerüchte. Er und sein Nachfolger José
Azcona Hoyo (*1927) mussten es allerdings wohl oder übel
hinnehmen, dass Honduras zu einem Brückenkopf der USA
im unerklärten Krieg gegen Nicaragua wurde. Erst 1989
erzielte eine internationale Konferenz Einigung über
den Abzug der nicaraguanischen "Contras". Das
von der Schuldenkrise gebeutelte Land hängt am Tropf
der Überlebenshilfe, die der "große Bruder"
jedoch nicht ohne Gegenleistungen gibt. Die Tradition der
Fremdbestimmung erhielt eine neue Version, das hässliche
Wort von der "Bananenrepublik" eine neue Begründung.
Zu den Folgewirkungen der massiven Präsenz der USA
gehörten nationalistische Aufwallungen. 1992 schlossen
El Salvador, Guatemala und Honduras ein Freihandelsabkommen.
Der 1993 gewählte Präsident Carlos Roberto Reina
(*1926) versuchte in seiner Amtszeit, den Einfluss des Militärs
einzudämmen.
1. Januar 1998 Der Liberale Carlos Roberto Flores Facussé,
der aus den Präsidentschaftswahlen im November als Sieger
hervorging – er erhielt knapp 53 Prozent der Stimmen –,
tritt sein Amt als Staatsoberhaupt und Regierungschef von
Honduras an. Er will vor allem hart gegen die überhandnehmende
Korruption einschreiten. Ende Oktober 1998 Hurrikan „Mitch“
fegt mit bis zu 250 Stundenkilometern über Mittelamerika
hinweg und hinterläßt verheerende Verwüstungen.
1. November 1998 Tagelange sintflutartige Regenfällen,
ausgelöst durch den Hurrikan „Mitch“, haben in Mittelamerika
zur „Jahrhundertkatastrophe“ geführt: Aufgrund von verheerenden
Überschwemmungen und zahlreichen Erdrutschen sind in Honduras,
Nicaragua, El Salvador, Guatemala und Costa Rica mindestens
11.000 Menschen ums Leben gekommen, rund 2,8 Millionen Menschen
wurden obdachlos, die Infrastruktur ist nahezu völlig zerstört,
die Ernte ist größtenteils vernichtet, unzählige Dörfer
sind buchstäblich von der Landkarte verschwunden, unter
riesigen Schlammlawinen begraben. Die meisten Toten haben
Honduras und Nicaragua zu beklagen, da hier die Bevölkerung
völlig unvorbereitet getroffen wurde. Im Gegensatz zu Costa
Rica, wo man besonders gefährdete Dörfer rechtzeitig evakuiert
hatte und deshalb insgesamt nur neun Menschen ums Leben
kamen, unternahmen die Regierungen von Nicaragua und Honduras
– beide Staaten haben inzwischen um internationale Hilfe
gebeten – so gut wie nichts zum Schutz der Bevölkerung.
Beide Länder unterhalten zwar teure Streitkräfte, verfügen
jedoch über keinerlei Katastrophenschutz. Darüber hinaus
wird gegen den Staatspräsidenten von Honduras, Carlos Roberto
Flores Facussé, der Vorwurf laut, die Verteilung von Hilfsgütern
durch staatliche Stellen zu blockieren und die Arbeit der
internationalen Organisationen zu behindern.
31. Januar 1999 Gemäß einer vom Parlament einstimmig verabschiedeten
Verfassungsänderung ist das Militär von Honduras nunmehr
direkt dem Staatspräsidenten unterstellt. Präsident Carlos
Roberto Flores Facussé ernennt den Juristen und bisherigen
Botschafter in den USA, Edgardo Dumas Rodriguez zum ersten
zivilen Verteidigungsminister.
Ende Mai 1999 Nachdem die im Pariser Club zusammengeschlossenen
Gläubigerstaaten den vom Hurrikan „Mitch“ heimgesuchten
mittelamerikanischen Staaten bereits im November 1998 den
Erlaß eines Großteils ihrer Schulden (Honduras‘ Auslandsverschuldung
liegt bei über vier Milliarden US-Dollar) in Aussicht gestellt
haben, wird nun in der schwedischen Hauptstadt Stockholm
ein internationales Hilfsprogramm von insgesamt rund neun
Milliarden US-Dollar für Honduras, Nicaragua, El Salvador
und Guatemala ausgearbeitet.
Oktober 1999 Erneute wochenlange sintflutartige Regenfälle,
begleitet von schweren Stürmen, führen in Honduras, das
von dem im November vergangenen Jahres über Mittelamerika
hinwegfegenden verheerenden Hurrikan „Mitch“ besonders schwer
getroffen war und auf internationale Wiederaufbauhilfe angewiesen
ist, wieder zu Überflutungen und Erdrutschen. Unzählige
Menschen ertrinken bzw. werden unter Schlammlawinen begraben.
Zigtausende verlieren ihre Behausungen, und mindestens ein
Drittel der agrarwirtschaftlich genutzten Landesfläche –
viele Felder liegen seit der Katastrophe von 1998 ohnehin
noch brach – wird zerstört.
30. November 1999 Das honduranische Parlament ratifiziert
ein bereits in den 80er Jahren mit Kolombien vereinbartes
Abkommen über die gemeinsame Seegrenze. Da davon auch von
Nicaragua beanspruchte Küstengewässer betroffen sind, kommt
es daraufhin zum Konflikt mit Nicaragua: Nicaragua verhängt
Strafzölle auf Waren aus Honduras und reicht Klage beim
Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein, und sowohl
Honduras als auch Nicaragua mobilisieren ihre Streitkräfte
entlang der gemeinsamen Grenze.
8. März 2001 Im seit Ende 1999 schwelenden Territorialkonflikt
um ein Seegebiet in der Karibik einigen sich Honduras und
Nicaragua in Washington auf ein unter Vermittlung der OAS
(Organisation Amerikanischer Staaten) zustandegekommenes
Abkommen, mit dem der Ausbruch eines bewaffneten Konfliktes
abgewendet werden soll: Beide Staaten erklären sich damit
einverstanden, ihre Streitkräfte entlang der Landesgrenze
nicht weiter aufzustocken und gemeinsame Schiffspatrouillen
in dem umstrittenen Seegebiet durchzuführen, bis der Internationale
Gerichtshof in Den Haag zu einer Entscheidung gekommen ist.
20. April 2001 Im kanadischen Québec findet eine dreitägige
Gipfelkonferenz aller 34 Staats- und Regierungschefs des
amerikanischen Doppelkontinents mit Ausnahme Kubas statt.
Hauptthema ist eine Konkretisierung des seit langem angestrebten
Mammut-Projekts der panamerikanischen Freihandelszone von
Alaska bis Feuerland, die bis zum 1. Januar 2005 (unter
Ausschluß Kubas) geschaffen werden soll. Eine „Demokratieklausel“
soll sicherstellen, daß nur demokratische Staaten der größten
Freihandelszone der Welt beitreten können, die wegen der
verschiedenen Sprachen vier offizielle Bezeichnungen haben
wird (Englisch: Free Trade Area of the Americas/FTAA, Spanisch:
Área de Libre Comercio de las Américas/ALCA, Portugiesisch:
Área de Livre Comércio de las Américas/ALCA, Französisch:
Zone de libre-échange des Amériques/ZLEA). Der „Summit of
the Americas“ ist überschattet von gewalttätigen Demonstrationen
von Globalisierungsgegnern. Fast 100 Menschen werden z.T.
schwer verletzt, darunter drei Dutzend Sicherheitskräfte.
1. September 2001 Nach Angaben des Welternährungsprogramms
der Vereinten Nationen (WFP/World Food Program) können sich
wegen einer andauernden Dürre in der Landenge zwischen Nord-
und Südamerika 1,6 Millionen Menschen nicht selbst ernähren
und sind dringend auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Besonders
gravierend sei die Lage in Nicaragua, wo 70 Prozent der
Ernte wegen Regenmangels ausgeblieben sind. Doch auch in
Honduras und Guatemala – dort sind nach Regierungsangaben
bereits mehrere Dutzend Menschen verhungert – mußte der
Nahrungsmittelnotstand ausgerufen werden, und in El Salvador
verschlimmert die Dürre die schwache Ernte nach dem Erdbeben
von Anfang des Jahres. WFP-Sprecher Jordan Day sagt, Mittelamerika
leide unter der „schlimmsten Ernährungskrise, die es in
Lateinamerika jemals gegeben hat“, und appelliert an die
Industrieländer, 16.500 Tonnen Nahrungsmittel bereitzustellen,
die der Organisation derzeit in der Region fehlten.
1. November 2001 Der von tagelangen Regenfällen begleitete
Tropensturm „Michelle“ verursacht in Nicaragua und im Norden
von Honduras schwere Überschwemmungen. In den Fluten ertrinken
mindestens zehn Menschen. Tausende müssen evakuiert werden.
25. November 2001 Bei den Präsidentschaftswahlen in Honduras
geht der Spitzenkandidat der konservativen Nationalen Partei
(PN), Ricardo Maduro Joest, mit knapp 53 Prozent der abgebenen
Stimmen als Sieger hervor. Der Bewerber der regierenden
Liberalen Partei (PL), Parlamentspräsident Rafael Pineda
Ponce, erzielt knapp 45 Prozent. Maduro wird sein Amt am
27. Januar 2002 als Nachfolger von Carlos Roberto Flores
Facussé antreten. Der in den USA ausgebildete 55jährige
Unternehmer und frühere Zentralbankchef Maduro, der 1997
seinen Sohn bei einem Entführungsversuch verloren hat, will
außer gegen die Korruption vor allem gegen die überhandnehmende
Kriminalität vorgehen. Bei den gleichzeitig stattfindenden
Parlamentswahlen erzielt die PN 45 Prozent und die PL 37
Prozent. Außerdem gewinnt die PN die wichtigsten der 298
Bürgermeisterposten, darunter in der Hauptstadt Tegucigalpa.
1. April 2002 Ricardo Maduro Joest, seit 27. Januar Staats-
und Regierungschef von Honduras, hat sein Wahlkampfversprechen,
außer gegen die Korruption vor allem gegen die ausufernde
Kriminalität vorgehen zu wollen, eingelöst. In den großen
Städten halten an jeder Ecke Polizisten und Soldaten Wache,
und die meisten Bürger sind – trotz der schlechten Erinnerung
an die einstige Militärherrschaft – froh darüber, da man
sich nun sogar nach Einbruch der Dunkelheit ohne Angst vor
einem Überfall wieder auf die Straße wagen kann. Maduros
Sicherheitskonzept, das die Stärkung der Gerichte und eine
Reform des Strafrechts einschließt, scheint Früchte zu tragen:
Im Januar wurden landesweit noch fast 1.500 Gewaltverbrechen
registriert, im Februar, dem ersten Monat der „Null-Toleranz-Politik“
der neuen Regierung, waren es weniger als 150. Die Zahl
der bewaffneten Raubüberfälle auf Passanten verringerte
sich von 350 auf fünf, die Tötungsdelikte von 500 auf 30.